Nur eine Katze

Meine Katze Luise ist krank geworden, sehr krank. Wenige Tage bevor ich ins Retreat reisen will, geht es ihr ziemlich schlecht. Was soll ich tun? Zuhause bleiben? Soll ich das Retreat für meine spirituelle Entwicklung, auf das ich mich so lange gefreut und vorbereitet habe, wegen meiner Katze aufgeben? Ich weiss es nicht und höre viele Meinungen von verschiedenen Menschen: «Die Katze sollte nicht alleine bleiben, aber sie können sie für zehn Tage in der Klinik lassen», so die Tierärztin. «Zuhause bleiben wäre wohl vor allem für dich selber gut, Katzen sind sehr selbständig und kommen im Allgemeinen gut allein zurecht», so die Frau eines Tierarztes. Ein weiterer Bekannter schwächt diese Aussage ab, «das ist einfach nur eine Meinung, das sagt man halt so über Katzen». «Eine Katze ist ein Familienmitglied», ist eine weitere Aussage. Was genau eine Katze fühlt und wie sie zu einer Entscheidung kommt, weiss ich nicht. Aber ich kann beobachten, dass sie sich freut, wenn ich komme, dass sie Angst hat bei Gewitter und vor fremden Menschen und dass sie ganz oft meine Nähe sucht. Sie ist von mir abhängig, kann nicht mitbestimmen ob ich sie nun mit dem Katzensitter alleine lasse, in die Klinik bringe oder ob ich bei ihr bleibe.

Ich ringe mit mir, es ist nur eine Katze. Wirklich nur eine Katze, was heisst das? Das bringt mich zum Nachdenken. Ein Baum, der gefällt wird, ist nur ein Baum. Ein Schwein, das geschlachtet wird, ist nur ein Schwein, ein vergifteter Fluss nur ein Fluss, eine zertretene Schnecke nur eine Schnecke? Aber all das ist Leben und ich kann nicht sagen, macht nichts, das ist ja nur Leben.

Zu meiner Katze habe ich eine Beziehung, ich habe sie lieb, deshalb bleibe ich zuhause. Könnte es möglich sein zu allen lebenden Wesen, zum Leben selbst, eine Beziehung zu haben? Könnte ich das Leben selbst so liebhaben wie meine Katze? Was wäre, wenn wir alle das könnten? Wären dann nicht alle Probleme gelöst, die wir durch unser lebensfeindliches Verhalten verursachen?