Woher kommt all das Leiden
Fassungslos und vor Entsetzen starr nehme ich das Massaker in Palästina zur Kenntnis. Was Menschen einander antuen können – es ist unvorstellbar! Dasselbe Entsetzen ergreift mich auch wenn ich über industrialisierte Massentierhaltung und Schlachtmethoden lese. Der Geist, der zu Massakern in der Lage ist, ist derselbe, wie der, der junge Männer als Kanonenfutter im Krieg verbraucht. Das einzelne Leben gilt nichts, es ist der «Blutzoll», der im Dienst der Machterhaltung von der Bevölkerung zu entrichten ist.
Wenn ich das an mich heranlasse, zweifle ich am Menschsein. Gehört Grausamkeit zum Menschsein? Manche sehen keinen anderen Ausweg, als die Augen zu verschliessen und sich den angenehmen Seiten des Lebens zuzuwenden. Wir wollen glücklich sein, daran ist nichts verkehrt. Doch diese Art von Glück beruht auf Abspaltung und Blindheit. Um das Unerträgliche zu ertragen, mache ich mich gefühllos. Und genau das enthält den Keim für noch mehr Leiden. Ohne Gefühl kann ich Leiden nicht mitempfinden. Weder das eigene noch das anderer. So können die grausamsten Verbrechen geschehen, sie werden gedeckt durch unsere Blindheit.
Jetzt wo ich mich vor der Wiederholung der Vergangenheit fürchte, wo Krieg in Europa wieder möglich ist und Hass kein Tabu mehr, – frage ich mich, was kann meine Generation tun, was meine Eltern nicht haben tun können?
Wach sein, hinschauen, sich berühren lassen und Verantwortung übernehmen.
Die buddhistische Geistesschulung aber auch westliche Methoden geben uns dazu Werkzeuge in die Hand. Es geht um die Öffnung des Herzens für ausnahmslos alle lebenden Wesen. Lasse ich mich berühren von der Wahrheit des Leidens, entsteht Schmerz, daraus Angst, Wut, Trauer, Ohnmacht, Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung. Diese Zustände gilt es geschehen zu lassen, wirklich zu fühlen und dabei mit sich selbst und den Betroffenen mitzuempfinden. Es zeigt sich darin unsere emotionale Weisheit. Statt die Gefühle nach aussen zu agieren, um ihre Energie loszuwerden, können wir mit ihr unsere Entschlossenheit nähren, dem Leben zu dienen, wie und wo auch immer wir die Möglichkeit dazu habe. Wie kann das gehen? Zuerst muss man das überhaupt wollen und dann braucht es Übung und gegenseitige Unterstützung in der Gemeinschaft.