Keine Angst vorm Altern
Wir haben einen siebzigsten Geburtstag gefeiert. Es hat gutgetan. Wenn man altersgemäss lebt, spürt man das Alter nicht. Doch bis es soweit ist, muss man das Vergleichen mit anderen Lebensphasen aufgegeben haben. Das ist schwer, wenn sich alles an Jugend, Schönheit, Leistung und Ansehen orientiert und wenn das, was dem nicht entspricht, keine öffentliche Anerkennung erhält. Wir haben diese Schere aber auch selbst im Kopf und beurteilen uns nach Massstäben aus früheren Lebenszeiten. – Jedoch: wenn ich anders schaue, stelle ich fest, dass ich mit vierzig älter war als heute mit sechsundsiebzig Jahren. Ich war an Konventionen gebunden und sowohl geistig als auch körperlich unbeweglicher, infolgedessen unglücklicher, öfters krank, weniger kreativ und weniger wirksam. Heute kann ich aber nicht mehr solange joggen, ich kann nicht nach Belieben über mich verfügen und ich kann mich nicht mehr verleugnen. Ich bin hochsensibel geworden und muss darauf achten, was das Leben verträgt. Ist das nun ein Plus oder ein Minus für das Alter? – Es ist die Frucht eines Reifungsprozesses, die wir dem Altern verdanken, vorausgesetzt wir haben uns darauf eingelassen.
Jede Lebensphase hat Freuden und Leiden, Verlust und Krankheit. Wenn wir uns darauf einlassen, spüren wir das Alter nicht, sondern erleben seinen Sinn. Es ist wie es ist, wir sind da, wo wir sind und es kann gar nicht anders sein. Wir leben in Einklang mit der Weisheit des Lebens und das ist eine unspektakuläre Art von Glück, die von innen kommt. Dann bleibt der Raum offen. Statt uns mit der Angst vor dem Altern im Nacken an Beschäftigungen zu klammern: «Das tue ich solange ich es noch kann», sind wir offen für das, was gebraucht wird, und geben was wir können, in der Familie, im Freundeskreis, in der Gesellschaft, im Krankenhaus oder im Altersheim.
Dann ist unser Platz im Leben sicher.